Von der Knolle zum Knödel

Von der Knolle zum Knödel
Foto: W. Hummer

Zwetschkenködel, Kartoffelpaunzen, Powidltascherl, Mohnnudeln- oder zelten, Wespennester & Co – Erdäpfel gehören zur österreichischen Mehlspeiskultur wie der Topf auf den Deckel. Wir können dabei aus einer Vielfalt an Sorten schöpfen – sogar „La Bonnotte“, die teuerste Sorte der Welt, wächst auf heimischem Boden.

 

Bereits 10.000 vor Christus wurden in Südamerika Erdäpfel verarbeitet. In Österreich wird seit dem 17. Jahrhundert mit der „tollen Knolle“ gekocht und gebacken. Zur Zeit Maria Theresias wurden die Bauern verpflichtet, Erdäpfel anzubauen, da sie gut lagerbar und bei der Bekämpfung von Hungersnöten hilfreich waren. 1778 bis 1779 war der Hype so groß, dass im sogenannten „Kartoffelkrieg“ (bayrischer Erbfolgekrieg) zwischen Preußen und Österreich richtige Kämpfe um Erdäpfel stattfanden. Die feindlichen Truppen gruben sich dabei sogar gegenseitig die Kartoffeln aus. In dieser Zeit wurden jährlich rund 200 kg Erdäpfel pro Person verzehrt.

Erdäpfel in der heimischen Mehlspeisküche

In der altösterreichisch-böhmischen Mehlspeisküche ist ein flaumiger Kartoffelteig nicht mehr wegzudenken. Er überzeugt mit buttrig-duftendem Aroma und besticht mit einer harmonischen Konsistenz. Viele Gourmets schätzen die – im Gegensatz zum Topfenteig oder Nudelteig – etwas klebrigere, bissfestere Konsistenz und dezente Flaumigkeit. Daraus lassen sich Klassiker wie zum Beispiel die Powidltascherl, die einst von Peter Alexander liebevoll als „Powidltatschkerln“ besungen wurden, herstellen. Ebenso basieren die süßen Daumniedei (auch Erdäpfelpaunzen, Paterzehen), die vielen unserer Tiroler Leser vermutlich als Kindheitserinnerung ein Begriff sind, auf Kartoffelteig. Den Namen (Paunze = etwas Kurzes) haben die in Butterschmalz gebackenen Kartoffelteigstücke von ihrer Form, die einer Daumen-Nudel bzw. einem Finger oder Zeh ähnelt. Serviert werden sie herzhaft oder mit Zucker bestreut in Kombination mit frischem Apfelmus. Ohne Kartoffeln kommen auch die Mühlviertler Mehlspeisköche nicht aus: Die beliebten „Wespennester“ (süß gefüllte Kartoffelteigschnecken) werden traditionell in einem „Oma-Reindl“ (alter emaillierter Bräter) zubereitet, damit sie eine schöne Kruste bekommen. In der Steiermark und Kärnten wiederum werden Kartoffeln häufig zu einem herzhaften oder süßen Erdäpfelsterz mit Mohn verarbeitet. Sterze zählten einst zur bäuerlichen Alltagsküche, heute ist den meisten Steirern der „Türkensterz“ oder „Heidensterz“ ein Begriff. Das Wort „Sterz“ kommt von „stürzen“ und entspricht einer Polenta oder einem süßen Erdäpfelsterz, der einem festeren Kaiserschmarrn ähnelt und mit Mohn oder Zucker serviert wird. In einigen Tiroler Regionen kennt man das Gericht (mit Buchweizen) auch als „Schwarzplenten“. 

Österreich bietet guten Boden für die tolle Knolle

Dass Kartoffel nicht gleich Kartoffel ist, weiß der leidenschaftliche Mehlspeisbäcker. Zumindest die Unterscheidung in festkochende und mehlige Sorten gilt als landläufig bekannt. Dass wir allerdings aus einem Fundus aus 4.000 Sorten zehren, überrascht vermutlich doch den einen oder anderen Leser. In Österreich werden zahlreiche Sorten kultiviert, unter ihnen auch mit „La Bonnotte“ die „teuerste der Welt“. Diese findet man unter anderem in den Böden des Zerza-Hofs in Treßdorf (Kärnten).

Zu Besuch beim Gailtaler Erdäpfelbauern

Bauer Heimo Oberauner baut hier mehr als 20 verschiedene Erdäpfelsorten an. „Der Erdäpfelanbau spielt bei uns eine immer größere Rolle. Wir haben einst mit zwei Sorten begonnen, heute bieten wir unseren Kunden eine große Auswahl mit Sorten wie Violetta, Smiley, Ackersegen, Angeliter Tannenzapfen, Rote Emmalie, La Bonnotte oder Linzer Blaue. War es früher ein ‚Arme-Leute-Essen‘, so ist die Kartoffel heute im kulinarischen Aufwind“, erklärt der Experte. Auch alte, längst vergessen geglaubte Sorten erfreuen sich bei den Feinschmeckern großer Beliebtheit. 

Jede Sorte hat einen einzigartigen Geschmack

„Wenn die Frauen hier im Dorf ihre Männer zum Einkaufen schicken, kommt es häufig zu lustigen Situationen. Denn wir fragen stets: Wozu brauchen Sie die Erdäpfel? Wenn die irritierte Antwort ‚zum Essen‘ lautet, telefonieren wir dann schon mal direkt mit den Köchinnen, um die perfekte Sorte für die Gerichte auszuwählen“, schmunzelt Oberauner. Die geschmacklichen Unterschiede werden einem erst bei einer Verkostung unter Anleitung des Experten so richtig bewusst. 

Was kostet der teuerste Erdapfel?

Ein Highlight ist immer wieder „La Bonnotte“, die in Frankreich mit Algen gedüngt und um 500 Euro pro Kilo verkauft wird. Am Zerza-Hof kostet das Kilo drei Euro und besticht mit vollmundigem Aroma. Viele Kunden nutzen auch die Möglichkeit, dem Gailtaler Erdäpfelbauern bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Das gemeinsame Graben gleicht einer Schatzsuche, bei der man einiges dazu lernt. Zum Beispiel, wie Kartoffeln richtig gesetzt und geerntet werden: „Je weiter das Kraut oberhalb der Erde wächst, desto idealer entwickeln sich auch die Knollen“, erklärt Oberauner. Sein Tipp für alle Mehlspeisliebhaber: „Für den Kartoffelteig eignen sich Sorten mit einem sehr hohen Stärkeanteil – wie zum Beispiel Hermes – besonders gut. Denn die Stärke bindet den Teig und gibt ihm die perfekte Konsistenz. Leider sind die Sorten im Handel nicht deklariert, vereinfacht gesagt, sollten Mehlspeisköche zu sehr mehligen Erdäpfeln greifen.“ 

Erdäpfelteig – ein Muss für alle Knödelfans!

Knödel zählen zweifelsohne zu den genussvollen Kulturschätzen unserer heimischen Mehlspeiswelt. Bei der Frage nach der Zubereitung scheiden sich bekanntlich die Geister: Die einen schwören auf Topfenteig, während andere den Erdäpfelteig bevorzugen. So auch Winfried Rainer, Konditor und Inhaber des Cafè Rainer in St Johann/Tirol. Man kann ihn getrost als Knödelexperten bezeichnen, schließlich kommen jedes Jahr zahlreiche Gäste zum jährlichen Knödeltisch mit Knödeltischtanz: „Wir verwenden seit 38 Jahren den Erdäpfelteig für unsere Knödel und bleiben dieser Tradition auch treu. Unser Tipp für die perfekten Zwetschkenknödel: Schneiden Sie aus dem gleichmäßig auf Mehl ausgerollten Teig Vierecke aus, setzen Sie die Zwetschke in die Mitte des Teigstückes und formen Sie daraus einen Knödel. Dabei ist zu beachten, dass die Zwetschke gleichmäßig mit Teig umhüllt ist und sich keine Luftbläschen im Teig befinden. Mit ein bisschen Feingefühl für den richtigen Druck und die passende Menge Mehl gelingen herrliche Knödel. Unser Geheimtipp: die Zwetschken polieren, dann schmecken sie nicht bitter“, rät Rainer. 

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